Erhellende queere Ausstellungen für dunkle Wintertage

In zahlreichen Museen und Galerien kannst du in Berlin klassische und zeitgenössische Kunst kennenlernen – oftmals sogar mit queerem Fokus. Der Kulturjournalist Julian Beyer hat zehn tolle Ausstellungen zusammengetragen, die dich im Winter 2022/23 begeistern werden!

Berliner Geschichte aus afro-deutscher Perspektive zeigt das "Schöneberg Museum".

Auf den Spuren der Familie Diek

Mandenga Diek war im Jahr 1896 der erste Afrikaner, dem die deutsche Staatsbürgerschaft ausgestellt wurde. Die Familie Diek lebt mittlerweile in der 5. Generation in Deutschland. Dass die vergangenen 130 Jahre für sie, wie für andere afro-deutsche Menschen, nicht einfach waren und sind, wird in der Ausstellung „Auf den Spuren der Familie Diek“ deutlich. Lange Zeit wurde die Geschichte schwarzer Menschen in Deutschland nur wenig beachtet. In den 1980ern begannen Teile der Schwarzen Frauenbewegung mit der Erforschung und Dokumentation der Geschichte schwarzer Menschen in Deutschland und hielten dies unter anderem in dem Buch „Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ fest. Die Ausstellung im „Schöneberg Museum“ setzt die Familie Diek in den Mittelpunkt, erzählt anhand ihrer Geschichte aber die von vielen anderen Afro-deutschen in Deutschland.

Auf den Spuren der Familie Diek
Vom 27.01. bis 01.10.2023
Im Schöneberg Museum, Hauptstraße 40/42, 10827 Berlin-Schöneberg
S Schöneberg
Website der Ausstellung Auf den Spuren der Familie Diek
Website des Schöneberg Museum

Wie queer ist der Vampir? Nosferatu, gezeigt in der "Sammlung Scharf-Gerstenberg".

Phantome der Nacht

Im Jahr 1922 feierte „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ im Marmorsaal des Zoologischen Gartens in Berlin seine Premiere. Der Vampirfilm von Friedrich Wilhelm Murnau wurde zu einem Kult-Klassiker und Vorbild vieler weiteren Filme seines Genres. Fans feiern in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Die Ausstellung in der „Sammlung Scharf-Gerstenberg“ begibt sich auf die Spuren „Nosferatus“ in Popkultur und Kunst. Auch andere Kunstwerke, die sich mit dem legendären Vampir beschäftigen, sind hier ausgestellt. Murnau soll übrigens schwul gewesen sein und in „Nosferatu“ das gleichgeschlechtliche Begehren unter Männern codiert dargestellt haben. Dass das Vampirgenre ein queeres ist, zeigt momentan erst wieder die Serien-Version von „Interview mit einem Vampir“, in der es zwischen den zwei männlichen Protagonisten zum Teil sehr heiß zugeht.

Phantome der Nacht – 100 Jahre „Nosferatu“
Vom 16.12.2022 bis 23.04.2023
In der Sammlung Scharf-Gerstenberg, Schloßstraße 70, 14059 Berlin-Charlottenburg
S Westend
Website der Ausstellung Phantome der Nacht
Website der Sammlung Scharf-Gerstenberg

Die preisgekrönte Künstlerin Sandra Mujinga präsentiert ihre Arbeiten im "Hamburger Bahnhof".

I Build My Skin With Rocks

Die norwegische Künstlerin und Musikerin Sandra Mujinga erhielt im Oktober 2021 den Preis der „Nationalgalerie“, der mit einer Ausstellung und begleitenden Publikation verbunden ist. In der Historischen Halle des „Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart“ wird Mujinga deshalb eine Video-Installation präsentieren. In „I Build My Skin With Rocks“ widmet sich Mujinga gleich zwei Themen. Einmal dem Prinzip des „Worldbuilding“ im Science-Fiction-Genre. Und dann auch ihrer Faszination für die Überlebensstrategien von Tieren in der freien Wildbahn. Dabei untersucht sie körperliche Mutationen und veränderte Verhaltensweisen der Tiere, mit denen diese auf die Anwesenheit von Menschen reagieren, die mehr und mehr in die Lebensräume der Tiere eindringen. Im Zuge der Ausstellung erscheint außerdem eine Publikation im Distanz Verlag, in der Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Fachbereichen die Praxis von Sandra Mujinga analysieren.

Sandra Mujinga – I Build My Skin With Rocks
Vom 09.12.2022 bis 01.05.2023
Im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin-Mitte
S+U Hauptbahnhof
Website der Ausstellung Sandra Mujinga – I Build My Skin With Rocks
Website des Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart

Willkommen in der Welt der Schönen und Reichen: Monica Belluci, fotografiert von Helmut Newton im "Museum für Fotografie".

Brands

Helmut Newton wurde 1920 als Helmut Neustädter in Berlin geboren. Als Sohn jüdischer Eltern floh er im Alter von 18 Jahren aus Deutschland und ließ sich schließlich in Australien nieder. Seine Liebe zur Fotografie entdeckte er bereits früh und etablierte sich während seiner Karriere als einer der meistgebuchten und teuersten Mode-, Werbe-, Porträt und Aktfotografen der Welt. Die Sonderausstellung „Helmut Newton. Brands“ im „Museum für Fotografie“ fokussiert sich primär auf die Werbefotografien von Newton. Unter den ihn beauftragenden Marken sind unter anderem Swarovski, Yves Saint Laurent und Wolford vertreten, deren Image von Frauen wie Monica Bellucci oder Carla Bruni getragen wird. In der Ausstellung könnt ihr in das luxuriöse Leben der High Society – oder zumindest deren inszeniertes Abbild – eintauchen.

Helmut Newton. Brands
Vom 03.12.2022 bis 14.05.2023
Im Museum für Fotografie, Jebensstraße 2, 10623 Berlin-Charlottenburg
S+U Zoologischer Garten
Website der Ausstellung Helmut Newton. Brands
Website des Museum für Fotografie

Für "Revolution und Leidenschaft" arbeitet die sozialkritische Fotografin Tina Modotti, deren Arbeiten im "f3" zu sehen sind.

Revolution und Leidenschaft

Tina Modotti wurde 1896 in ärmlichen Verhältnissen in Udine, Italien geboren. Bereits mit 12 Jahren musste sie ihre Familie finanziell als Näherin unterstützen und zog im Alter von knapp 17 Jahren in die USA. Dort lernte sie den Fotografen Edward Weston kennen, der ihre Leidenschaft für die Fotografie aufflammen ließ. Später zog es Modotti nach Mexiko, angelockt von der revolutionären Aufbruchstimmung in Politik und Kunst. In ihren fotografischen Arbeiten, die im Zuge der Ausstellung „Revolution und Leidenschaft“ präsentiert werden, hält Modotti unter anderem das Leben und das Aufbegehren der Bewohner*innen Mexikos fest. Zu Modottis Freund*innenkreis gehörten bekannte Persönlichkeiten wie Frida Kahlo und Pablo Neruda. Aufgrund Modottis eigener politischer Aktivität wurde sie 1930 aus Mexiko ausgewiesen und kam zwischenzeitlich auch in Berlin unter. Sie starb 1942 im jungen Alter von 46 Jahren.

Tina Modotti – Revolution und Leidenschaft
Vom 19.11.2022 bis 05.02.2023
Im f³ – freiraum für fotografie, Waldemarstraße 17, 10179 Berlin-Kreuzberg
Website der Ausstellung Tina Modotti – Revolution und Leidenschaft
Website des f³ – freiraum für fotografie

Unterdrückung und Überwachung sind die Themen von "The Missed Seminar" im "HKW".

The Missed Seminar

„The Missed Seminar“ widmet sich dem Leben und Denken, den Schriften und Beziehungen der afroamerikanischen Feministin, Anthropologin und Fotografin Eslanda Robeson. Sie und ihr Ehemann, der Schauspieler Paul Robeson, wurden zur Zeit des Kalten Krieges auf die Blacklist gesetzt und über Jahrzehnte überwacht. Zum einen fragt „The Missed Seminar“ in einer kuratorischen Studie, wie ein Universitäts-Seminar ausgesehen hätte, das von Eslanda Robeson und dem deutsch-jüdischen marxistischen Philosophen Franz Loeser, den Robeson im Oktober 1963 in Ost-Berlin traf, gestaltet worden wäre. Zum anderen zeigt die Ausstellung die vollständige Version von „End Credits“ des Filmregisseurs Steve McQueen („12 Years a Slave“). Diese zeigt auf einer Leinwand über 12 Stunden und 54 Minuten Daten, zum Teil stark geschwärzt, die zu den Robesons zusammengetragen wurden. Zusätzlich gibt es 67 Stunden, vier Minuten und 43 Sekunden an Sprachaufnahmen, die durch FBI-Agenten aufgenommen wurden.

The Missed Seminar
Vom 28.10. bis 30.12.2022
Im HKW – Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin-Tiergarten
U Bundestag
Website der Ausstellung The Missed Seminar
Website des HKW – Haus der Kulturen der Welt

Mit Migration in die Kolonialmetropole Berlin setzt sich das "FHXB Museum" auseinander.

Trotz Allem

„Trotz Allem: Migration in die Kolonialmetropole Berlin“ ist eine Ausstellung des Projekts „Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt“ und dem „FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum“. Sie regt dazu an, Kolonialismus und Migration als untrennbare Bestandteile unserer Geschichte und Gegenwart zu verstehen. Im Zentrum stehen die Geschichten jener Kolonialmigrant*innen, die nach Berlin kamen und hier blieben, trotz rassistischer Benachteiligungen. Die Ausstellung will deutlich machen, dass Berlin schon vor und auch nach Deutschlands formaler Kolonialherrschaft (1885 bis 1919) eine Kolonialmetropole und Migrationsgesellschaft war.

Trotz Allem: Migration in die Kolonialmetropole Berlin
Vom 21.10.2022 bis 30.04.2023
FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95A, 10999 Berlin-Kreuzberg
U Kottbusser Tor
Website der Ausstellung Trotz Allem: Migration in die Kolonialmetropole Berlin
Website des FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum

Christopher Kulendran Thomas nimmt die Besucher in seinen Installationen mit nach Sri Lanka. Zu sehen sind sie im "KW Institute for Contemporary Art".

Another World

Christopher Kulendran Thomas wurde 1979 in London geboren. Seine Eltern flohen zuvor vor dem Bürgerkrieg aus Sri Lanka. Das Geburtsland seiner Eltern steht in „Another World“ im Fokus. Zusammen mit seiner langjährigen Kooperationspartnerin Annika Kuhlmann konzipierte er die Videoarbeit „The Finesse“, die die gesamte erste Etage des „KW Institute für Contemporary Art“ einnimmt. Die Videoinstallation verbildlicht den Versuch der tamilischen Unabhängigkeitsbewegung, eine eigenständige kooperative Wirtschaft aufzubauen. Zudem zeigt das „KW“ einige neue Malereien von Kulendran Thomas, die durch den Einsatz künstlicher Intelligenz entstanden sind. Hier werden auch Keramiken von Aṇaṅkuperuntinaivarkal Inkaaleneraam ausgestellt. „Another World“ nimmt Besucher*innen mit auf eine Reise in das heutige Sri Lanka und zeigt den Bürgerkrieg und seine Nachwirkungen.

Christopher Kulendran Thomas: Another World
Vom 22.10.2022 bis 15.01.2023
Im KW Institute for Contemporary Art, Auguststraße 69, 10117 Berlin-Mitte
U Rosenthaler Platz
Website der Ausstellung Christopher Kulendran Thomas: Another World
Website des KW Institute for Contemporary Art

Schwule Kunst aus der DDR: Jürgen Wittdorf im Schloss Biesdorf.

Jürgen Wittdorf (1932-2018) mit Veneta Androva, Norbert Bisky, Harry Hachmeister und Bettina Semmer

In diesem Jahr hätte der deutsche Maler und Grafiker Jürgen Wittdorf seinen 90. Geburtstag gefeiert. Zu diesen Ehren zeigt das Schloss Biesdorf erstmalig eine Retrospektive des Künstlers, der in der ehemaligen DDR für seine Illustrationen und Holzschnitte bekannt war. Seine Kunstwerke erschienen einigen Obrigkeiten in der damaligen Zeit „zu westlich“. Seine Identität als schwuler Mann spiegelt sich in vielen Werken wider. Wittdorf war Protagonist des Dokumentarfilms „Unter Männern – Schwul in der DDR“ (2012), in dem er sich zu seinem Leben als schwuler Mann in der DDR geäußert hat. Die Ausstellung im Schloss Biesdorf wird durch Arbeiten von Veneta Androva (zu Gender und künstliche Intelligenz), Norbert Bisky (zu Schönheit, Sexualität, Gewalt und Zerstörung), Harry Hachmeister (zu (Geschlechts-)Identitäten, Körper und deren Zuschreibungen) und Bettina Semmer (zu Körper als Element des politischen Handelns) ergänzt.

Jürgen Wittdorf (1932-2018) mit Veneta Androva, Norbert Bisky, Harry Hachmeister und Bettina Semmer
Vom 05.09.2022 bis 10.02.2023
Im Schloss Biesdorf, Alt-Biesdorf 55, 12683 Berlin-Marzahn
S+U Wuhletal
Website der Ausstellung Jürgen Wittdorf (1932-2018) mit Veneta Androva, Norbert Bisky, Harry Hachmeister und Bettina Semmer
Website des Schloss Biesdorf

Kunst und Finanzen: Mit diesem Spannungsfeld beschäftigt sich die Ausstellung "Klassenfragen" in der "Berlinischen Galerie".

Klassenfragen

Das Ausstellungsprojekt „Klassenfragen – Kunst und ihre Produktionsbedingungen“ befasst sich mit den, teils prekären, Produktionsbedingungen und finanziellen Abhängigkeiten im Arbeitsfeld Kunst. Oft wird hier die Armut und soziale Herkunft der Künstler*innen verschwiegen oder fetischisiert: Nach außen hin glamourös, dahinter aber zum Teil nur „brotlose Kunst“. Sowohl die Künstler*innen, die ihre Werke in dem Ausstellungsprojekt präsentieren, als auch das diskursive Begleitprogramm widmet sich den „Klassenfragen“. Das Projekt ist eine Kooperation der „neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK)“ und der „Berlinischen Galerie“.

Klassenfragen – Kunst und ihre Produktionsbedingungen
Vom 25.11.2022 bis 03.01.2023
In der Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, 10969 Berlin-Kreuzberg
U Moritzplatz
Website der Ausstellung Klassenfragen – Kunst und ihre Produktionsbedingungen
Website der Berlinischen Galerie

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Texte: Julian Beyer

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