Erhellende Ausstellungen für dunkle Tage

Die Berliner Museenlandschaft ist in ihrer Form und Vielfalt einzigartig - große Häuser wie die ikonische Neue Nationalgalerie, die vom Bauhaus-Architekten Mies van der Rohe realisiert wurde, oder das beeindruckende Ensemble auf der Museumsinsel sind international bekannt und ziehen jedes Jahr abertausende Touristen an. Neben diesen großen "Stars" unter den Museen gibt es noch eine Vielzahl weiterer Häuser zu entdecken, die mit ihren Ausstellungen unterschiedlichsten Kunstrichtungen einen Raum bieten – oftmals mit explizit schwulen, lesbischen und queeren Schwerpunkten sowie kritischen Auseinandersetzungen zum Zeitgeschehen.
Auch im Herbst und Winter zeigen viele Häuser wieder solche spannenden Ausstellungen, die dabei das ganze Gebiet von klassischer bis hin zu moderner Kunst umfassen. Hier findest du die interessantesten Ausstellungen, mit denen du während der dunklen Jahreszeit deinen Besuch in Berlin versüßen kannst:

Schwules Museum
A Heart That Beats – Queere ukrainische Kunst im Fokus
Bereits seit Juni ist diese multimediale Kunstausstellung im Schwulen Museum zu sehen, deren Ziel es ist, "die Lebendigkeit der ukrainischen queeren Kultur" inmitten von Krieg, Zerstörung und trotz einer zunehmend großen homophoben Reaktion hervorzuheben. Mittels Installationen, Videoarbeiten, Zeichnungen, Fotografien und textilen Arbeiten wird die Geschichte der queeren Community in drei Kapiteln gezeigt: der erste Teil widmet sich ihrer Entwicklung zu der Zeit, als die Ukraine noch ein Teil der Sowjetunion war, der zweite Teil beleuchtet die von Aufbruchstimmung geprägte Phase nach der Unabhängigkeit von 1991 bis zur Annektion der Krim durch Russland im Jahr 2014 und der dritte Abschnitt vermittelt dann ein eindringliches Bild vom Versuch, als Minderheit dennoch irgendwie ein selbstbestimmtes Leben in einer Gegenwart zu führen, die von ausufernder Gewalt und Tod geprägt ist.
Laufzeit: 06.06.2025–26.01.2026
Feuer + Flamme dem Patriachart – Petra Galls Fotos der Berliner FrauenLesben-Szene
Ebenso bereits seit Juli zeigt das Schwule Museum zudem eine Werkschau von einer "wichtigen Chronistin der Berliner FrauenLesben-Szene": Petra Gall. Die Fotografin zog 1981 im Alter von 26 Jahren nach Berlin und dokumentierte von diesem Moment an für zwei Jahrzehnte die vielfältigen Bewegungen und Aktionen, überhaupt "die umfassende kulturelle, intellektuelle und sexuelle Produktivität der FrauenLesben-Community", wie das Museum mitteilt. Zu sehen sind Aufnahmen von u. a. Demonstrationen anlässlich der Walpurgisnacht, Hausbesetzungen oder einfach ausgelassene Eindrücke von Konzerten und Partys wie in der bis heute existierenden Schokofabrik. Kuratiert wurde die Ausstellung von Collin Klugbauer und Birga Meyer aus dem umfangreichen Nachlass von Petra Gall, der bereits 2012, sechs Jahre vor ihrem Tod, in die Sammlung vom Schwulen Museum einging.
Laufzeit: 04.07.2025–23.02.2026
Love at First Fight
Seit dem 13. August ist auch die Dauerausstellung über "Queere Bewegungen in Deutschland seit Stonewall" wieder im Schwulen Museum zu sehen, die als eine "Herzensangelegenheit" zusammen mit dem Goethe-Institut bereits 2019 entstanden ist. Der Name der Ausstellung ist Programm: Sie gewährt einen ungmein kurzweiligen und aufschlussreichen Blick in 50 turbulente und kämpferische Jahre der LGBTIQ-Community.
Dauerausstellung

Museum für Fotografie
Rico Puhlmann – Fashion Photography 50s-90s
1996 kam der renommierte Modefotograf Rico Puhlmann bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Long Island, New York, im Alter von nur 63 Jahren ums Leben – bis dahin hatte der aus Berlin-Friedenau stammende Illustrator und Fotograf in vier Jahrzehnten mit seinen Arbeiten für Magazine wie "Brigitte", "Vogue" oder "Harper's Bazar" das ästhetische Modeempfinden von Millionen Menschen maßgeblich mit geprägt. Die Helmut Newton Stiftung widmet Puhlmann nun seit Ende Juni eine Retrospektive und zeigt, größtenteils aus seinem Nachlass, zahlreiche seiner Fotostrecken, die die ganze Formenvielfalt vom eleganten Berliner-Chic der 50er-Jahre bis hin zum lässigen "American Look" der 70er widerspiegeln, wie auch seine Porträts von Stars wie Naomi Campbell bis hin zu Hildegard Knef.
Laufzeit: 27.06.2025–15.02.2026

nGbK am Alex
Viral Intimacies
Die Illusion, dass es "vier Jahrzehnte nach Beginn der HIV/AIDS-Epidemie" möglich sei, dieses Thema wie ein "abgeschlossenes Kapitel zu behandeln", setzt diese Ausstellung gezielt ein kraftvolles Zeichen entgegen. Unter dem Oberthema "Die politischen Dimensionen von HIV/AIDS heute" sind in den Räumen der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) zum einen zwölf Arbeiten von internationalen Künstler:innen zu sehen, um die unvermindert gegenwärtige Präsenz des Virus in unserem Alltag visuell zu thematisieren. Zum anderen ergänzt ein Begleitprogramm mittels Filmscreenings, Performances und Diskussionen die künstlerischen Perspektiven mit den Standpunkten von Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen rund um die vielschichtigen politischen und sozialen Dimensionen, die mit HIV/AIDS bis heute ungebrochen verbunden sind: Stigmatisierung, Biomedizin, koloniale Bedeutung u. v. m.
Laufzeit: 11.09.2025–16.11.2025

Haus der Kulturen der Welt
Global Fascism
Nationalistische und reaktionäre Strömungen sind weltweit auf dem Vormarsch – daher unternimmt das Haus der Kulturen der Welt mit diesem Forschungsprojekt den Versuch, einen kritischen Blick auf die bedrohliche und stetig anwachsende Zahl der neuen Erscheinungsformen des Faschismus in seiner ästhetischen und sozialen Dimension zu werfen. Zu diesem Zweck wurden die Werke von über 50 internationalen Künstler:innen und Kollektiven ausgewählt und zusammengeführt, um "historische wie aktuelle Kontexte, in denen rechtsextreme Ideologien gedeihen" mittels der vielfältigen Sprache der Kunst zu untersuchen: ob durch digitale Formate, Performances, Fotografien wie auch durch Malerei. Explizites Ziel der Ausstellung ist es dabei, "Kunst nicht nur als Medium der Reflexion, sondern auch als aktive Kraft, die sich autoritären Ästhetiken und Ideologien entgegenstellt", zu positionieren.
Laufzeit: 13.09.2025–07.12.2025

KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst
The Rise and Fall of Erik Schmidt
Ganz bewusst spielt der Titel dieser umfassenden Werkschau auf David Bowies berühmtes "Ziggy Stardust"-Album aus dem Jahr 1972 an: Denn Erik Schmidts Arbeiten – ob Malerei, Collagen oder Videos – durchzieht ebenso die komplexe Frage von der Bedeutung des Begriffs der Identität in der modernen Gesellschaft. Die Ausstellung im Maschinenhaus M2 will in dieser Hinsicht die Besucher:innen in Schmidts "vielschichtiges ästhetisches Universum" entführen. Dazu wurden Werke aus drei Jahrzehnten seines kreativen Schaffens zu einer Geschichte verknüpft, in deren Kern sein großes biografisches Thema steht und die den Bereich der Ausstellung in fünf Kapitel teilt. Der Spannungsbogen reicht dabei über "die Auseinandersetzung mit dem Anderen und die ironische Distanz zum eigenen Selbstbild" weiter zu Arbeiten, die "Klischees in der Arbeitswelt in ihrem Verhältnis zu Männlichkeit in kapitalistischen Gesellschaften, zu Queerness und Machtstrukturen" untersuchen, bis hin zu "den Anfängen von Schmidts künstlerischer Praxis".
Laufzeit: 14.09.2025–01.02.2026

C/O Berlin
Close Enough
Bereits im Jahr 2022 war diese Ausstellung mit dem Untertitel "Perspectives by Woman Photographers of Magnum" in New York zu sehen: Anlass war das 75. Jubiläum zum Bestehen eben jener im Titel benannten und renommierten Fotoagentur Magnum Photos – im Jahr 2025 wiederum nimmt das C/O Berlin sein eigenes 25-jähriges Jubiläum zum Anlass, diese Fotoausstellung in teils angepasster und erweiterer Fassung dem Berliner Publikum zugänglich zu machen. Im Fokus, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, steht die Beziehung zwischen Objekt und Kamera, die Nähe zwischen den Fotograf:innen und ihren Modellen, zwischen "Macht und Emphatie". Die Spanne der gezeigten Arbeiten umfasst dabei dokumentarische Studien, die sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken, genauso wie subtile Momentaufnahmen als Akte der Selbstermächtigung.
Laufzeit: 27.09.2025–28.01.2026

Berlinische Galerie
Lovis Corinth: Dann kam Berlin!
Im Bereich der ständigen Ausstellung der Berlinischen Galerie im ersten Stock, die gleichermaßen einen Einblick in die Kunst und die Kunstgeschichte der Hauptstadt gewährt, gehören die meisterhaften Bilder des Malers Lovis Corinth (1858–1925) zum festen Repertoire. Nunmehr widmet die Galerie dem progressiven Künstler eine eigene Ausstellung, der – keineswegs eine Selbstverständlichkeit zu seiner Zeit – hauptsächlich Frauen unterrichtete und dessen lebendiger, kraftvoller Stil noch Generationen von Malern nach ihm inspirierte, wie zum Beispiel die Gruppe der Jungen Wilden der 80er prägte. Dafür "erforscht" die Galerie ihre Sammlung, zu der ein großer Bestand von Corinths Bildern gehört und erweitert mit dieser Werkschau ihre "Reihe monografischer Ausstellungen zur Berliner Moderne", mit der sie unter anderem bereits Jeanne Mammen ein Denkmal setze.
Laufzeit: 09.10.2025–25.01.2027

Georg Kolbe Museum
Liaisons
Die Ausstellung "Liaisons" setzt bei der Verbindung unterschiedlicher Vorstellungen von Männerfreundschaften und der Ästhetik männlicher Körper an, um die Vielfalt herauszuarbeiten, die daraus hervorgehen kann. Den Ausgangspunkt bildet das letzte Porträtfoto vom heterosexuellen Bildhauer Georg Kolbe, das 1947 vom homosexuellen Fotografen Herbert List gemacht wurde. Durch die ausgewählte Gegenüberstellung ihrer teils geradezu gegensätzlichen Werke soll so vorrangig die "künstlerische Entwicklung männlicher Körperbilder im frühen 20. Jahrhundert" nachgezeichnet werden, wobei gerade durch Lists Arbeiten der feine Unterschied im Körperbild klar hervortritt, sobald der schwule Blick bei Freundschaften dem Werk zugrundeliegt. Dieses historische Spannungsverhältnis wird ergänzt durch die zeitgenössischen Arbeiten der Künstler Harry Hachmeister und Jens Pecho, um in seiner ganzen zeitlichen Bandbreite die stets unmittelbare "Liaison" zwischen "Freundschaft, Nähe und den männlichen Körper in der Kunst" mit dieser besonderen Ausstellung hervorzuheben.
Laufzeit: 11.10.2025–15.03.2026

Gropius Bau
Diane Arbus: Konstellationen
Der Name der Fotografin Diane Arbus ist vielen Menschen auch über die Kunstszene hinaus ein Begriff. Der Gropius-Bau widmet der visionären Künstlerin des 20. Jahrhunderts, deren Bilder ein Schlaglicht in die scheinbar intimsten und verborgensten Winkel der Gesellschaft mit einer ihr ureigentümlichen Melancholie werfen, nun nach eigenen Worten "die bislang umfassendste Ausstellung ihres Werks". Zu sehen sind 454 Fotografien – viele davon sogar zum allerersten Mal!
Laufzeit: 16.10.25–18.01.2026
Weitere Informationen
Abonniere den Instagram-Kanal von Place2be.Berlin für aktuelle Infos und Eindrücke aus der Stadt!
Interessante queere Locations überall in Berlin zeigt dir der Place2be.Berlin-Stadtplan.
Eine komplette Übersicht über alle Veranstaltungen für jeden einzelnen Tag findest du auf den Terminseiten der SIEGESSÄULE, Berlins großem queeren Stadtmagazin.Abonniere den Instagram-Kanal von Place2be.Berlin für aktuelle Infos und Eindrücke aus der Stadt!
Texte: Julian Beyer